22.

Sharleen parkte den Datsun, den Dobe ihr und Dean geschenkt hatte, vor einem Schnellrestaurant an der Ming Avenue. Sie griff nach der Zeitung und schlug die Seite mit den Stellenangeboten auf, obwohl sie die Anzeige längst kannte.

Leider wurde auch hier eine »erfahrene Kraft« gesucht. Dieses Lokal war bereits das achte an diesem Tag. Alle anderen Restaurants hatten abgesagt, weil ihr die Erfahrung fehlte, oder man hatte ihr zweideutige Angebote gemacht.

Wieviel Erfahrung braucht man, um Lastwagenfahrern Spiegeleier und Eintopf zu servieren? fragte Sharleen sich. Inzwischen hatte sie in so vielen Schnellrestaurants gegessen, daß sie wußte, wie es hier zuging. Und Sharleen brauchte Arbeit. Ohne Arbeit gab es kein Geld und keine Möglichkeit zu übernachten. Sie hatte nur zwei Alternativen: Entweder mußte sie lügen, was ihre Erfahrung anging, oder sie mußte diesen Typen erlauben, an ihr herumzumachen.

Sharleen blickte in den Rückspiegel. Sie zwickte sich in die Wangen, weil das ihre Mutter immer gemacht hatte, wenn sie kein Geld für Make-up hatte.

Sharleen preßte die Lippen zusammen, bis sie rot wurden. Sie zupfte an ihrer mexikanischen weit ausgeschnittenen Bluse, die immer wieder über die eine Schulter zu rutschen drohte.

»Lieber Gott, hilf mir!« betete sie.

Sie verließ den Wagen, schloß ihn ab und zog den Cowboygürtel noch ein Loch enger. Dann fühlte sie sich gerüstet.

In ihren enganliegenden Jeans ging sie entschlossen auf das Lokal zu. Dabei schwang sie ein wenig die Hüften, für den Fall, daß die Kunden sie kommen sahen. Sie wollte lieber den Eindruck erwecken, als habe sie nicht die geringsten Sorgen.

Bevor sie auch nur die Hand auf den Türknauf legen konnte, ging die Tür auf und der dickste Mann, den sie je in ihrem Leben gesehen hatte, stand vor ihr.

»Ich habe Sie erwartet. Nein, ich sollte besser sagen, ich habe gehofft, daß Sie kommen.« Er hielt Sharleen die Tür auf. Sie quetschte sich an ihm vorbei. Es war kühl und laut in dem Lokal. Die Männer und zwei weibliche Gäste sowie eine ältere Frau in Kellnerinnenuniform sahen Sharleen an. Offenbar hatte Sharleen richtig vermutet. Sie war beobachtet worden.

»Ich bin Jake, und das Lokal gehört mir. Darum heißt es auch >Jake's<.« Er brachte Sharleen zu einem etwas ruhigeren Ecktisch.

Sharleen lächelte. »Wetten, daß Sie wissen, warum ich hier bin?«

»Du bist eingestellt. Leg die Zeitung weg, und trink eine Tasse Kaffee mit mir. Dann erzählst du mir etwas über dich.« Er ging an den Tresen und kam gleich darauf mit zwei weißen Steingutbechern voll Kaffee und einem 'Teller Donuts zurück.

»Moment mal, Jake. Was soll das heißen, daß ich eingestellt bin? Sie haben noch gar nicht nach meiner Erfahrung gefragt.« Erleichtert machte Sharleen sich klar, daß sie nun vielleicht gar nicht lügen mußte. Ein so dicker Mann wie Jake würde auch kaum auf den Gedanken kommen, ihr nachzustellen.

Jake stemmte die fleischigen Arme auf den Tisch und lächelte breit. »Lady, schon als du ankamst, sah ich, daß du erfahren genug bist. Alle haben es gesehen.« Er wies auf die Handvoll Geschäftsleute und Truckerfahrer. »Das sind meine Stammgäste. Die möchte ich auch behalten. Und sie haben alle gemeint, daß du für uns richtig bist.« Er stopfte sich einen Donut in den Mund und wartete gar nicht, bis er ihn hinuntergeschluckt hatte, sondern nuschelte: »Wie heißt du?«

Sharleen lachte. Gottes Wege waren in der Tat oft unerforschlich.

Zwei Reihen weißer Plastikblumen, von Staub und Fettdünsten grau geworden, zierten die Fensterbretter des Lokals. Auf den 'Tischen lagen geblümte Plastiktischdecken. Um eine künstliche Topfpflanze auf jedem Tisch gruppierten sich Salz- und Pfefferstreuer, eine Flasche Barbecuesauce, ein Zuckerspender und eine Blechschachtel mit kleinen Papierservietten. Die Nischen an den Wänden hatten hohe, steile Lehnen. Die Sitzpolsterung bestand aus orangefarbenem Kunststoff, vielfach aufgerissen und mit grauem Klebeband geflickt, um die herausquellende Füllung zurückzudrängen. In jeder Nische gab es eine kleine Jukebox mit einer Liste der verfügbaren Platten, durchweg Country- und Westernsongs aus den 50er Jahren.

Am Tresen saßen die Truckerfahrer auf Barhockern. Ihre

breiten Hintern hingen über die runde Sitzfläche. Sie beugten sich tief über ihren Kaffee oder ihr Essen. Lautstark wurde über Baseball, Straßenzustand, Jagd und Fischen diskutiert. Nur die beiden Frauen hielten sich aus diesen Gesprächen heraus. Sie waren in ein ernstes Gespräch vertieft.

Die ältliche Kellnerin eilte zwischen Gästen und Küche hin und her. Sie schleppte Fleischgerichte mit viel Sauce und servierte Desserts, meist Obstkuchen. Ständig schrie sie der mexikanischen Köchin neue Bestellungen zu. Der Köchin in der kleinen Küche lief indessen der Schweiß übers Gesicht. Unter einer roten Heißluftlampe standen die fertigen, noch nicht von der Kellnerin abgeholten Tellergerichte.

Das ist besser als McDonald's, dachte Sharleen. Zumindest scheint es hier Trinkgelder zu gehen. Jake wischte sich mit dem Handrücken die Krümel von seinem letzten Donut aus den Mundwinkeln. »Wie heißt du?« wiederholte er.

»Sharleen. Wann soll ich anfangen?«

Die schoenen Hyaenen
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